Die Idee eines Beitritts der Vereinigten Staaten zur BRICS-Gruppe – bestehend aus Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika sowie den seit 2024 hinzugekommenen Mitgliedern Ägypten, Äthiopien, Iran und den Vereinigten Arabischen Emiraten – klingt auf den ersten Blick wie ein geopolitisches Paradoxon. BRICS wurde ursprünglich als Bündnis aufstrebender Volkswirtschaften gegründet, die sich als Gegengewicht zur westlichen, insbesondere US-dominierten Weltordnung positionieren. Doch in einer sich wandelnden globalen Landschaft, geprägt von wirtschaftlichen Verschiebungen und geopolitischen Spannungen, lohnt es sich, die potenziellen wirtschaftlichen und politischen Implikationen eines solchen Szenarios zu untersuchen. Dieser Artikel analysiert die Möglichkeit eines US-Beitritts zu BRICS, beleuchtet die aktuelle politische Lage und beleuchtet insbesondere die potenziellen Vorteile einer Zusammenarbeit zwischen Russland und den USA in diesem Rahmen.
Die aktuelle politische und wirtschaftliche Lage
Die Weltwirtschaft befindet sich im Umbruch. Der Aufstieg Chinas zur zweitgrößten Volkswirtschaft, die wachsende Bedeutung Indiens und die Ressourcenstärke von Ländern wie Brasilien und Russland haben die globale Machtbalance verschoben. Gleichzeitig sieht sich die Dominanz des US-Dollars als Reservewährung zunehmend infrage gestellt, nicht zuletzt durch die Bemühungen der BRICS-Staaten, den Handel in lokalen Währungen zu fördern und alternative Finanzsysteme wie die New Development Bank (NDB) zu etablieren.
Die politischen Spannungen zwischen den USA und den Kernmitgliedern der BRICS, insbesondere Russland und China, sind jedoch ein zentraler Stolperstein. Der Krieg in der Ukraine, die westlichen Sanktionen gegen Russland und der Handelskonflikt mit China haben die Beziehungen belastet und eine klare Trennlinie zwischen dem „Westen“ und den BRICS gezogen.

Dennoch ist die geopolitische Realität komplexer. Unter der neuen US-Regierung ab Januar 2025, angeführt von Präsident Donald Trump, deutet sich eine pragmatischere Außenpolitik an, die weniger auf ideologische Konfrontation und mehr auf wirtschaftliche Vorteile abzielt. Trumps Äußerungen während seines Wahlkampfs – etwa seine Bereitschaft, mit traditionellen Gegnern wie Russland zu verhandeln, um Konflikte wie den Ukraine-Krieg zu beenden – könnten die Grundlage für eine unerwartete Annäherung schaffen. Parallel dazu zeigen die BRICS-Staaten mit ihrer Erweiterung und ihrem Fokus auf den „Globalen Süden“ Ambitionen, ihre wirtschaftliche und politische Relevanz auszubauen.
Könnte ein US-Beitritt in diese Dynamik passen?
Wirtschaftliche Vorteile eines US-Beitritts
Ein Beitritt der USA zu BRICS würde zunächst einmal einen radikalen Wandel in der globalen Wirtschaftsarchitektur bedeuten. Die USA bringen die größte Volkswirtschaft der Welt mit einem BIP von über 25 Billionen Dollar (Stand 2024) ein, dazu technologische Innovationskraft und einen unvergleichlichen Finanzmarkt. Für die BRICS-Gruppe könnte dies eine enorme Stärkung bedeuten. Die New Development Bank, die bisher vor allem Infrastrukturprojekte im Globalen Süden finanziert, könnte durch US-Kapital und Expertise zu einer ernsthaften Alternative zur Weltbank werden. Gleichzeitig könnte die Integration der USA den Druck auf den US-Dollar als alleinige Reservewährung mildern, indem ein hybrides System entsteht, das den Dollar mit Währungen wie dem Yuan oder dem Rubel kombiniert.
Für die USA selbst könnte ein Beitritt den Zugang zu den boomenden Märkten der BRICS-Staaten erleichtern. China und Indien repräsentieren zusammen fast 40 % der Weltbevölkerung und ein rapides Wirtschaftswachstum, während Russland und Brasilien über immense Rohstoffreserven verfügen.
Ein kooperativer Ansatz innerhalb von BRICS könnte US-Unternehmen neue Handelsmöglichkeiten eröffnen, insbesondere in Bereichen wie Energie, Technologie und Agrarprodukte. Zudem könnte die Teilnahme an BRICS den USA helfen, ihre Abhängigkeit von traditionellen Verbündeten in Europa zu diversifizieren, die zunehmend mit eigenen wirtschaftlichen und politischen Herausforderungen kämpfen.
Politische Lage und die russisch-amerikanische Dimension
Die Beziehungen zwischen den USA und Russland sind seit Jahren von Misstrauen geprägt. Der Ukraine-Krieg hat diese Spannungen auf einen neuen Höhepunkt getrieben, mit massiven Sanktionen gegen Russland und einer verstärkten militärischen Präsenz der NATO im Osten Europas. Doch ein US-Beitritt zu BRICS könnte eine Brücke schlagen. Russland, das sich zunehmend vom Westen isoliert sieht, hat in BRICS eine Plattform gefunden, um seine internationale Relevanz zu sichern. Die Aufnahme der USA könnte hier eine pragmatische Wende einleiten. Wenn Trump sein Versprechen einlöst, den Ukraine-Konflikt durch Verhandlungen zu lösen, könnte BRICS als neutraler Rahmen dienen, in dem beide Länder gemeinsame Interessen definieren.
Ein zentraler Benefit für Russland wäre die Lockerung der Sanktionen. Ein kooperativer Ansatz innerhalb von BRICS könnte den USA einen Anreiz bieten, Sanktionen schrittweise aufzuheben – etwa im Austausch für russische Zugeständnisse im Energiebereich oder bei Sicherheitsfragen. Russland könnte wiederum von US-Technologie und Investitionen profitieren, um seine Wirtschaft zu modernisieren, die stark von Rohstoffexporten abhängig ist.
Für die USA wäre der Vorteil eine Stabilisierung der globalen Energiemärkte. Russland kontrolliert etwa 12 % der weltweiten Ölförderung, und eine engere Zusammenarbeit könnte Schwankungen bei den Energiepreisen eindämmen, die seit 2022 die US-Wirtschaft belasten.
Herausforderungen und Grenzen
Trotz der potenziellen Vorteile sind die Hindernisse enorm. Die ideologischen Differenzen zwischen den USA und Ländern wie China und Russland sind tief verwurzelt. China sieht BRICS als Instrument, um seine eigene globale Führungsrolle auszubauen, was mit den Interessen der USA kollidiert. Indien wiederum, ein weiteres Schwergewicht in BRICS, pflegt eine Politik der Äquidistanz und könnte eine zu starke US-Präsenz als Bedrohung seiner Unabhängigkeit werten. Zudem würde ein US-Beitritt die ursprüngliche Idee von BRICS als Stimme des Globalen Südens untergraben, da die USA kaum als „aufstrebende Volkswirtschaft“ gelten können.
Auch innenpolitisch wäre ein solcher Schritt in den USA umstritten. Der Kongress und Teile der Öffentlichkeit könnten eine Annäherung an Russland und China als Verrat an westlichen Werten und Allianzen wie der NATO sehen. Die geopolitische Rivalität, insbesondere mit China, bleibt ein zentraler Faktor, der eine Integration erschwert. Für Russland wiederum könnte die Aufnahme der USA die Dynamik innerhalb von BRICS verändern und seinen Einfluss auf die Gruppe schmälern, da die USA zwangsläufig eine dominierende Rolle einnehmen würden.
Fazit
Ein Beitritt der USA zu BRICS ist derzeit ein höchst unwahrscheinliches Szenario, doch es lohnt sich, die Idee als Gedankenexperiment zu betrachten. Wirtschaftlich könnte er neue Handelsströme und eine Stabilisierung der Weltwirtschaft fördern, während politisch eine Annäherung zwischen Russland und den USA möglich wäre – etwa durch eine Entspannung im Ukraine-Konflikt und eine gemeinsame Nutzung von Ressourcen. Die Vorteile für Russland liegen in der wirtschaftlichen Öffnung und Sanktionserleichterung, für die USA in der Diversifikation ihrer Handelspartner und einer stärkeren Einbindung in den Globalen Süden. Doch die politischen und ideologischen Hürden sind gewaltig, und die Wahrscheinlichkeit, dass BRICS in seiner aktuellen Form die USA integriert, bleibt gering.
Viel wahrscheinlicher ist, dass die USA weiterhin versuchen werden, ihren Einfluss außerhalb von BRICS zu sichern, während die Gruppe ihren eigenen Weg als Gegengewicht zur westlichen Ordnung geht. In einer multipolaren Welt könnten jedoch pragmatische Kooperationen – auch ohne formellen Beitritt – zunehmend an Bedeutung gewinnen.